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Rebuild ohne Mittel: Das Dilemma der Vikings O-Line

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Man könnte beinahe meinen, dass wir uns in einer Art Zeitschleife befinden, denn wieder ist eine Saison vergangen und wieder diskutieren Fans und Medienvertreter im Umfeld der Minnesota Vikings über das immer gleiche Thema, welches sie schon seit Jahren beschäftigt: Wie kann diese Offensive Line, welche sich nun seit Jahren in den unteren Regionen der NFL bewegt, endlich auf Kurs gebracht werden? 

Das Zahlenwerk zur Vikings O-Line der Saison 2018 liest sich ziemlich deprimierend. Laut Pro Football Focus hat in der vergangenen Saison keine Front-Five mehr Pressures zugelassen als die der Vikings (226 bei 666 Pass Snaps). Prozentual standen nur vier Quarterbacks in der NFL häufiger unter Druck als Vikings QB Kirk Cousins und diese vier Quarterbacks (Wilson, Watson, Allen und Rosen) verbrachten alle im Durchschnitt mehr Zeit in der Pocket pro Dropback als Cousins. Auch im Run-Blocking lief es nicht besser. Sowohl bei den Adjusted Line Yards von Football Outsiders als auch bei Rushing Yards vor dem ersten Kontakt schnitt die Vikings O-Line unter den schlechtesten Units der Liga ab. Somit stellte das Line-Play in der Saison 2018 einen deutlichen Rückschritt zur Vorsaison dar.

Voraussetzungen

Mit Riley Reiff, Brian O’Neill und Pat Elflein stehen nach aktuellem Stand drei O-Line Starter aus der vergangenen Saison für die neue Spielzeit unter Vertrag. Desweiteren kehren auch die Reservisten Danny Isidora, Cornelius Edison und Aviante Collins, der die vergangene Saison wegen einer Ellenbogenverletzung verpasst hatte, zurück. Die Verträge von Tom Compton, Rashod Hill, Brett Jones und Nick Easton laufen hingegen aus. Finanziell sind die Vikings in keiner guten Position für einen großen Umbruch in der Front-Five. Nur rund 8 Millionen Dollar stehen dem Team zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung. Diese Zahl könnte zwar noch durch verschiedene Roster Moves steigen. Dennoch ist der Handlungsspielraum ziemlich begrenzt. Auch der letztjährige Starter Mike Remmers ist der angespannten Cap-Situation bereits zum Opfer gefallen. 

Mögliche Positionswechsel

Wegen der knappen Mittel und zum Teil auch guter Vorleistungen kann man davon ausgehen, dass alle drei letztjährigen Starter, welche für die kommende Saison unter Vertrag stehen, erneut gute Chancen auf einen Platz im Starting Line-Up haben werden. Am sichersten ist dabei wohl Tackle Brian O’Neill. Der letztjährige Zweitrundenpick spielte eine überraschend starke Rookie-Saison und könnte zukünftig zu einem der Eckpfeiler neuen Line werden. Unklar ist jedoch auf welcher Seite O’Neill in der kommenden Saison spielen wird. Nachdem er im vergangenen Jahr als rechter Tackle gespielt hat, könnte er in der kommenden Saison auf seine College-Position auf der linken Seite zurückkehren, wo ihn die meisten perspektivisch sehen. Allerdings birgt ein Wechsel auf Left Tackle auch das Risiko, dass O’Neill mit der neuen Rolle nicht klar kommt. 

Ob es zu diesem Wechsel überhaupt kommt, hängt maßgeblich von der Zukunft von Riley Reiff ab. Zuzletzt wurde offen darüber spekuliert, ob der Blindside-Tackle einen Wechsel nach innen auf Guard vollziehen könnte. Sollten die Vikings einen neuen Tackle-Starter in dieser Offseason finden, wäre das eine denkbare Alternative. Allerdings müsste in diesem Fall Reiffs Vertrag angepasst werden, da er für einen Guard deutlich zu teuer ist. Zudem ist der Markt für Offensive Tackles in der Free Agency sehr spärlich besetzt und viele Tackles im Draft gelten als mögliche Kandidaten für einen Move auf Guard. Es könnte also sinnvoller sein, einen Rookie für ein oder zwei Jahre auf Guard aufzubauen und dann eventuell zurück auf Tackle zu schicken, anstatt das Risiko einzugehen mit Reiff ein erneutes „Remmers-Debakel“ zu erleben. Falls die Vikings allerdings doch einen Tackle an Land ziehen, könnte sogar Reiffs Kaderplatz in Gefahr sein. Eine Trennung von Reiff, falls diese nach dem ersten Juni stattfindet, könnte den Vikings 9,5 Millionen Dollar zusätzlichen Cap Space liefern, was zwar keine Hilfe für die nächsten Wochen wäre, perspektivisch aber sehr wichtig werden kann.

Auch bei Center Pat Elflein ist noch nicht klar, ober er auch im kommenden Jahr die auf seiner alten Position bleibt. Falls die Vikings im Draft oder in der Free Agency einen neuen Center an Land ziehen, könnte Elflein gezwungen sein auf einen der Guard-Spots auszuweichen. Ob das für seine Entwicklung förderlich wäre, ist jedoch fraglich.

Die Optionen auf dem Free Agency Markt

Was mit Blick auf die Salary Cap Situation der Vikings zu erwarten war, trat in der ersten Woche der Free Agency ein. Die Vikings verpflichteten keinen großen O-Line Free Agent. Wegen der gezahlten Preise könnten die Vikings damit jedoch langfristig besser liegen, als die vermeintlichen Sieger der Free Agency. Schließlich musste das Team in den letzten Jahren auch am eigenen Leib erfahren, dass teure Free Agent Neuzugänge keine Garantie für ein besseres O-Line Play sind. In der zweiten Welle der Free Agency muss Minnesota dennoch aktiver werden, da man mit Danny Isidora für die neue Saison nur einen Guard im Kader hat, der Snaps in der Regular Season gespielt hat.

Um einen besseren Überblick über noch auf dem Markt verbliebene Optionen zu schaffen, sind hier einige Free Agent Linemen aufgelistet:

OT Ryan Schraeder

Schraeder ist der wohl größte Name auf dieser Liste. Allerdings wurden die Leistungen des bald 31 Jahre alten Tackles in den letzten zwei Jahren zunehmend schwächer. Laut Medienberichten haben die Vikings Interessen an Schraeder, der gut in das neue Outside-Zone Schema passen würde. Allerdings müsste das Team nochmal größere Moves machen, um die Mittel für Schraeders Gehalt zu beschaffen und es ist zumindest fraglich, ob er das noch immer wert ist.

OG TJ Lang

Der ehemalige Packers Guard ist der wohl beste Pass-Blocker auf der Liste. Allerdings konnte er verletzungsbedingt nur sechs Spiele in der vergangenen Saison bestreiten. Auch in den Jahren davor hatte Lang bereits oft mit Verletzungen zu kämpfen. Wegen dieser Probleme wäre der 31-Jährige wohl relativ günstig zu haben, falls er seine Karriere fortsetzt. Wenn er fit ist, wäre Lang eine ideale Lösung für die Passprotection der Vikings, könnte im neuen System jedoch Probleme im Run-Blocking bekommen, da ihm möglicherweise die Agilität für eine Outside-Zone Offense fehlt. Mit einem soliden Back-Up Plan und für nicht zu viel Geld, wäre Lang dennoch eine der besten Optionen auf dem Markt für die Vikings.

OG Josh Sitton

Ähnlich wie sein ehemaliger Teamkollege Lang, wurde auch Sitton zuletzt stark von Verletzungen eingeschränkt. Wenn er fit ist, spielt der bald 33 Jahre alte Sitton ähnlich stark wie Lang in der Passprotection und könnte für das Run-Blocking der Vikings sogar die etwas bessere Lösung sein. Auch er wäre wegen seiner Verletzungsprobleme wohl für relativ wenig Geld zu haben, falls er seine Karriere weiterführt. Allerdings bräuchten die Vikings auch für ihn einen guten Back-Up.

OG Quinton Spain

Der Wunschkandidat vieler Fans zum aktuellen Zeitpunkt ist der letzjährige Titans Guard Quinton Spain. Anders als die bisher aufgeführten Kandidaten befindet sich Spain mit 27 Jahren im besten Alter und hatte keine größeren Verletzungssorgen. Zudem hat auch er sich in den letzten Jahren als starker Pass-Blocker etabliert. Schematisch passt Spain nicht wirklich in das Run Blocking System der Vikings. Das sollte mit Blick auf Spains Fähigkeiten in der Pass-Protection jedoch das geringste Problem sein. Bei den aktuellen Marktpreisen könnte es für die Vikings aber schwierig werden, Spain nach Eagan zu locken.

OG Josh Kline

Wesentlich wahrscheinlicher scheint aktuell die Verpflichtung von Spains letztjährigen Teamkollegen. Laut Medienberichten haben die Vikings starkes Interesse am ehemaligen Super Bowl Sieger. Für das Zone-Blocking Schema der Vikings würde sich Kline zudem wohl besser eignen als Spain. Etwas besorgniserregend ist allerdings der Leistungsabfall in der zweiten Saisonhälfte für den 29-jährigen Guard. Nach starken Leistungen zwischen 2016 und 2017 sowie der ersten Hälfte der vergangenen Saison ließ Kline in den letzten sieben Spielen 25 Pressures zu (zum Vergleich: 2016 und 2017 waren es je 22 über die gesamte Saison). Dass sich dieser Einbruch nicht mit Verletzungen erklären lässt, macht die Situation noch rätselhafter. In der Form von 2016 und 2017 wäre Kline ein starkes Upgrade für die Offensive Line der Vikings. In der Form der zweiten Hälfte der letzten Saison könnte eine Verpflichtung von Kline jedoch zu einem Desaster werden.

C/G Stefen Wisniewski

Wisniewski hat einen mehr als soliden Track-Record als Starter auf Center und Guard. Allerdings brachen seine Leistungen in der vergangenen Saison etwas ein, weshalb er in Philadelphia seinen Platz als Starter verlor. Dennoch könnte der bald 30-Jährige für die Vikings eine der attraktivsten Optionen sein, da er Positionsflexibilität und Erfahrung mitbringt und zudem relativ günstig zu haben ist. Auch in das Zone-Schema der Vikings passt Wisniewski gut, da er bei den Eagles viel Erfahrung mit Zone-Konzepten gemacht hat.

OG Andy Levitre

Vor wenigen Jahren gehörte Levitre besonders beim Run-Blocking noch zu den besseren Guards der Liga. Allerdings wurde der bald 33-Jährige in den letzten zwei Jahren von großen Verletzungssorgen heimgesucht.Zudem gilt Levitre auch als sehr anfällig für Strafen. Wenn er fit ist, könnte Levitre den Vikings als Run-Blocker helfen. Ob er als Pass-Blocker noch ein Upgrade wäre, ist jedoch fraglich.

C/G Brett Jones

Als Brett Jones kurz vor dem Saisonstart der letzten Saison zu den Vikings getradet wurde, sahen viele in ihm einen sicheren Starter nachdem er sich bei den Giants als starker Pass-Blocker einen Namen gemacht hatte. Nach drei Starts in den ersten drei Wochen wurde Jones jedoch wegen Elfleins Rückkehr auf die Bank gesetzt. Dass der flexibele Interior Lineman danach keine echte Chance mehr bekam ist mit Blick auf die schlechten Leistungen von Tom Compton und Mike Remmers trotz der Schwächen von Jones im Run-Blocking nicht wirklich zu verstehen. Eine Rückkehr nach Minnesota ist somit eher unwahrscheinlich.

OG Chance Warmack

Obwohl sein athletisches Profil nicht wirklich dem eines Zone-Blockers entspricht, hat Warmack auf dem College und in der NFL einige Erfahrungen mit Zone-Konzepten gesammelt. Nachdem er in seinen ersten NFL Jahren für die Titans als rechter Guard startete, musste sich der 27-Jährige in den letzten drei Jahren mit der Rolle als Back-Up in Nashville und Philadelphia zufrieden geben. Für die Vikings könnte Warmack ein solider und günstiger Back-Up sein mit der Chance auf mehr, falls er eine gute Offseason hat.

OG Ben Garland

Der bald 31-Jährige verbrachte seine bisher vier Jahre in der NFL als Back-Up in Denver und Atlanta. In den vergangenen beiden Jahren stiegen Garlands Einsatzzeiten wegen der Verletzungen von Andy Levitre. Der Guard gilt als sehr guter Run-Blocker, ist aber sehr inkonstant in der Passprotection. Ob Garland das Potential zu einem Vollzeit-Starter hat darf bezweifelt werden, zumal in seinem Alter auch kein großer Entwicklungssprung mehr zu erwarten ist.

OT Jared Veldheer

Mit Veldheer ist ein weiterer langjähriger Starter noch ohne Team für die neue Saison. Allerdings brachen seine Leistungen in den letzten zwei Jahren ein. Zudem kämpfte er in den letzten drei Saisons auch immer wieder mit Verletzungen. Da das Need auf Tackle für die Vikings nicht so groß ist wie auf Guard, ist es jedoch sehr fraglich, ob die Vikings für den Veteran Tackle ein finanzielles Risiko eingehen sollten.

C John Sullivan

Von 2009 bis 2014 war John Sullivan der Starting Center der Vikings. Nachdem er die Saison 2015 komplett mit einer Rückenverletzung verpasste, wurde er kurz vor dem Beginn der 2016er Saison entlassen. Nach einem kurzen Gastspiel in Washington verbrachte der Center die letzten beiden Jahre als Starter in der starken Offensive Line der LA Rams. In der vergangenen Saison brachen Sullivans Leistungen jedoch ein, obwohl er alle Spiele als Starter absolvierte. Es bleibt also abzuwarten, wie viel der 33-Jährige noch im Tank hat, falls er überhaupt an einer Rückkehr zu den Vikings interessiert ist.

C/G Ryan Groy

In den letzten vier Jahren bei den Buffalo Bills wechselte Groy immer wieder zwischen einem Platz auf der Bank und im Starting Line-Up. Groy ist als Guard und Center einsetzbar und hat seine Stärken in der Pass-Protection (1 Sack und 29 Pressures in 806 Karriere Pass-Block-Snaps). Als Run-Blocker passt Groy nicht in das Schema der Vikings. Allerdings spielte er bereits unter Rick Dennison – dem neuen O-Line Coach der Vikings – und wäre wohl bezahlbar.

C/G Tyler Shatley

Seitdem er im Jahr 2014 als Undrafted Free Agent in die Liga gekommen ist, war Shatley als Back-Up für die Jaguars aktiv. In der vergangenen Saison bakam er wegen Verletzungen der Starter die Chance auf sieben Starts und machte dabei seine Sache als Pass-Blocker solide. In 311 Pass-Block-Snaps ließ er nur zehn Pressures zu.

G Bryan Witzmann

Mit Bryan Witzmann steht ein weiterer ehemaliger Vikings-Spieler auf der Liste. Seine Zeit in Minnesota war jedoch sehr kurz, da man ihn wenige Wochen nach seiner Verpflichtung während der letzten Saison wieder entließ, ohne dass er einen Snap für die Vikings spielte. Später in der Saison startete er in sieben Spielen als Right Guard für die Chicago Bears. Der 28-Jährige ist ein durchschnittlicher Pass-Blocker und schlechter Run-Blocker. Eine Rückkehr nach Minnesota ist unwahrscheinlich.

OT Donald Penn

Über viele Jahre war Donald Penn einer der besseren Left Tackle der Liga. In der vergangenen Saison startete er nach einem Wechsel auf die rechte Seite jedoch schwach und verpasste nach dem vierten Spieltag den Rest der Saison verletzungsbedingt. Der bald 36 Jahre alte Tackle bekräftigte zwar, dass er nach seiner Entlassung aus Oakland seine Karriere fortsetzen wolle. Für die Vikings sollte er jedoch nicht mehr als eine Notlösung sein.

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