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NFL Draft Recap 2019

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Zwölf Spieler haben die Minnesota Vikings im NFL Draft 2019 gezogen. Kein Team in der Liga griff häufiger zu. Besonders am dritten Tag waren die Vikings mit insgesamt neun Picks sehr aktiv.

Die Bewertung von Draft Picks direkt nachdem sie gezogen wurden gestaltet sich schwierig. Immerhin hat ja noch niemand von ihnen ein Down in der NFL gespielt. Eine Glaskugel besitzt eben niemand von uns, weshalb es immer sein kann, dass Spieler in der NFL einschlagen, denen man das niemals zugetraut hätte, während andere Spieler schnell abstürzen, welche von vielen bereits als zukünftige All-Pros gepriesen wurden.

Dennoch gibt es einige Kriterien, nach denen man die Qualität der Draftpicks auch zum jetzigen Zeitpunkt einschätzen kann, weshalb man auch die Draftklassen bereits unter Vorbehalt bewerten kann:

 

1.) Qualität und Entwicklungspotenzial

Um hoch im Draft gezogen zu werden, sollte ein Spieler optimalerweise schon sehr weit in seiner Entwicklung sein und trotzdem noch viel Upside für die zukünftige Entwicklung aufweisen. Von einem 1st Round Pick erwartet man zum Beispiel im Allgemeinen, dass er von Tag eins an startet, weshalb klassische Developmental Projekte eher ungerne genommen werden, da sie ein hohes Bust-Risiko mitbringen und Zeit benötigen, bis sie einen größeren Einfluss auf das Team haben kann, falls er jemals den Durchbruch schafft. Auf der anderen Seite gibt es Spieler, die bereits sehr weit sind, wenn sie gedraftet werden, aber wegen körperlicher Limitierungen möglicherweise bereits ihre Leistungsspitze erreicht haben. Auch dieser Typ Spieler wird ungerne hoch gedrafted, da man zwar weiß, dass man einen soliden Spieler bekommt, aber die Chance, dass er mal zu einem Top-Spieler wird, sehr gering ist. In den späteren Runden, wenn man kaum noch Spieler findet, die ein hohes aktuelles Niveau mit hohem Entwicklungspotenzial vereinen, ist es von der Philosophie des Teams abhängig, ob man lieber den soliden Spieler mit wenig Star-Potenzial nimmt, oder auf das Boom-or-Bust Projekt wettet.

2.) Position Value und Need

Ähnlich wie beim ersten Punkt ist es auch hier wichtig, dass die Teams hier die richtige Balance finden. Einerseits müssen Teams den Wert einer Position berücksichtigen und nicht unbedingt das größte Need zuerst bedienen, obwohl die Position keinen großen Wert besitzt. Einen Kicker in einer frühen Runde (oder überhaupt) zu draften macht beispielsweise keinen Sinn, selbst wenn man als Team dringend nach einem sucht. Auf der anderen Seite macht es aber auch keinen Sinn einen Quarterback in der ersten Runde zu draften, wenn man bereits einen Top 3 QB hat, der nicht kurz vor seinem Karriereende steht, auch wenn Quarterback die wertvollste Position ist.

3.) Scheme Fit

Dieser Faktor wird oft unterschätzt, auch weil viele Journalisten, welche den Draft für alle Teams covern wollen, schlicht nicht immer über das spezifische System eines Teams informiert sind. Dennoch ist es für die meisten Prospects von sehr hoher Bedeutung für den zukünftigen Erfolg in ein Spielsystem gedraftet zu werden, welches zu den Stärken des Spielers passt. Ein Offensive Lineman, der mit seinen athletischen und spielerischen Fähigkeiten perfekt in ein Gap-/Power System passt, könnte sich beispielsweise in einer Offense, die viel auf Zone-Konzepte setzt, schwer tun. Da hilft dann manchmal auch großes Talent nicht mehr.

4.) Zusatzfaktoren

Neben der Qualität des Spielers sowie Wert und Need auf der jeweiligen Position und dem Scheme Fit spielen auch einige Nebenfaktoren eine Rolle bei der Auswahl der Talente. Die wohl wichtigsten Faktoren hier sind der Charakter des Spielers und der medizinische Zustand. Für Journalisten und Blogger sind diese Faktzoren jedoch schwer zu bewerten, da uns dazu schlicht nicht annähernd so viele Informationen zur Verfügung stehen wie den Teams. Somit kann man in diesen Punkten nur Spekulationen aufstellen, welche auf den spärlichen Informationen beruhen, die im Draft-Prozess nach außen dringen.

5.) Wer war noch da?

Kann man einen Draft-Pick kritisieren, der eigentlich alles erfüllt, was in den vorhergegangenen Punkten beschrieben wurde? Grundsätzlich ja, denn es könnte ja ein noch besserer Spieler auf dem Board gewesen sein. Es reicht also nicht, nur  die Picks isoliert zu betrachten, die getätigt wurden. Man sollte diese auch in ein Verhältnis setzen mit Picks, die man an der jeweiligen Ställe stattdessen hätte tätigen können. Als perfektes Beispiel kann hier der 2014er Lions 1st Round Pick Eric Ebron angeführt werden. Die Hauptkritik an dieser Wahl war nicht Ebrons Qualität selbst, sondern die Tatsache, dass man statt ihm Taylor Lewan, Odell Backham oder Aaron Donald hätte haben können, die mit den nächsten drei Picks von anderen Teams gezogen wurden.

 

Vikings Draftklasse 2019:

 

Pick 18 (1. Runde): GARRETT BRADBURY, Center, NC State

Im Laufe der Draftwoche wurde Bradbury in immer mehr Mock Drafts zu den Vikings gepickt. Auch in verschiedenen Artikeln verdichteten sich die Hinweise, dass der NC State Center einer der Top-Kandidaten für die Vikings ist. Über den Sinn des Picks kann man kaum Zweifel erheben, denn er erfüllt alle oben genannten Kriterien. Bradbury ist technisch bereits sehr weit und kann vermutlich sehr früh einen großen Einfluss haben. Da er aber auch noch relativ neu auf seiner Position ist und athletisch großartige Voraussetzungen hat, kann auch mit einer guten Entwicklung gerechnet werden. Die Vikings brauchten dringend Hilfe in der interior Line und diese hat in den letzten Jahren stark an Wert gewonnen, da es immer mehr gute interior Pass-Rusher gibt. Der Scheme Fit ist ebenfalls perfekt, da Bradbury mit seiner Athletik und seinem Spielstil perfekt in die Outside-Zone Offense der Vikings passt. Auch bei den genannten Zusatzfaktoren sind keine negativen Eigenschaften bekannt. Auf meinem Board waren an Position 18 noch drei höher gerankte Spieler als Bradbury (14.) verfügbar. Allerdings haben zwei von ihnen (Jeffery Simmons (8.) und Jawaan Taylor (9.)) medizinische Fragezeichen während beim Dritten (Chauncey Gardner-Johnson (11.)) kein großer Bedarf auf der Position bestand. Somit war Garrett Bradbury für Minnesota der logischste und vernünftigste Pick.

Pick 50 (2. Runde): IRV SMITH, Tight End, Alabama

Zusätzlich zur besseren Protection war der Draft der Vikings auch darauf ausgelegt, der Offense um Quarterback Kirk Cousins mehr Waffen zu verschaffen. Irv Smith ist ein flexibel einsetzbarer Move Tight End, der nach dem Catch und bei tieferen Pässen sehr stark ist und somit einen Gegenentwurf zu Kyle Rudolph darstellt. Ähnlich wie Bradbury erfüllt auch Smith die oben genannten Kriterien. Smith besitzt gute Hände aber noch ein bisschen Nachholbedarf als Route Runner. Die Vikings waren auf der Suche nach einem athletischen Move Tight End, um der Offense eine zusätzliche Waffe zu verleihen und um Kyle Rudolph mittelfristig zu ersetzen. Zudem passt er gut in die neue Offense, da Kubiak und Stefanski gerne mit mehr als einem Tight End spielen – auch im Passing Game. Charakterlich und medizinisch gibt es öffentlich über Smith nur wenige Informationen, was grundsätzlich aber ein gutes Zeichen ist.

Pick 102 (3. Runde): ALEXANDER MATTISON, Running Back, Boise State

Die Evaluation dieses Picks ist leider recht frustrierend, denn ich mag den Spieler an sich sehr und sein Tape macht extrem viel Spaß, allerdings macht der Pick mit Blick besonders auf den Position Value sehr wenig Sinn, zumal man wesentlich bessere Optionen gehabt hätte. Grundsätzlich passt Mattison ins Schema und kann ein guter Complementary Back zu Dalvin Cook werden und mittelfristig die Rolle des nach New Orleans abgewanderten Latavius Murray übernehmen. Er ist ein guter Power Back, der selten mit dem ersten Kontakt zu Boden  zu bringen ist und auch als Receiver aus dem Backfield ist er solide. Probleme hat Mattison noch in Pass Protection, was allerdings durch Coaching zu korrigieren ist. Für die Vikings wäre es jedoch sinnvoller gewesen erst deutlich später einen Running Back zu nehmen, zumal es auch dann noch geeignete Kandidaten gegeben hätte. Mit dem Pick hätte man deutlich mehr Value bekommen können, wenn man ihn beispielsweise für Hakeem Butler verwendet hätte, der einen Pick später zu den Arizona Cardinals ging.

Pick 114 (4. Runde): DRU SAMIA, Guard, Oklahoma

So nah können Freud und Leid manchmal zusammen liegen, denn nach einem der fragwürdigsten Picks in dieser Klasse folgt mit Dru Samia einer der besten. Als Teil der besten College O-Line des letzten Jahres entwickelte sich Samia zu einem Spieler mit mittelfristigem Starting Potenzial in der NFL. Samia ist ein sehr guter Zone-Blocker und somit ein idealer Fit für die Vikings Offense und könnte spätestens in Jahr zwei ein Teil der sehr jungen starting O-Line in Minnesota sein. Dass Samia an Tag 3 noch zu haben war, kann durchaus als Überraschung gewertet werden und der günstige Up-Trade der Vikings war absolut gerechtfertigt.

Pick 162 (5. Runde): CAMERON SMITH, Linebacker, USC

Was wurde vor dem Draft nicht alles geschrieben über die angeblich viel zu starke Fixierung der Vikings auf Defender… Schon vor dem Draft war da nicht viel Wahrheit bei und die Tatsache, dass in diesem Jahr der erste Defender in Runde 5 genommen wurde, sollte dieses leidige Narrativ endgültig entkräftet haben. Cameron Smith ist als athletisch limitierter Two-Down Linebacker sicher kein sexy Pick, aber ein notwendiger, denn die Unit braucht nun schon länger mehr Tiefe. Zudem sollte Smith zu einem Core Special Teamer werden, was in Runde 5 ein völlig vertretbarer Value ist. Smith wird wohl zunächst als sechster Linebacker den Kader erreichen mit der Chance sich mittelfristig für den Weakside Linebacker Spot zu empfehlen.

Pick 190 (6. Runde): ARMON WATTS, Defensive Tackle, Arkansas

Armon Watts war ein Spätentwickler, der sich erst in seiner letzten Saison auf dem College ins Rampenlicht spielte. Allerdings deutete er in seiner Senior Season großes Potenzial als Pass-Rusher an und könnte somit eine der positiven Überraschungen dieser Klasse werden. Chancen auf Spielzeit sind definitiv gegeben, denn der Kampf um Snaps auf der Three-Technique Defensive Tackle Position ist weit offen.

Pick 191 (6. Runde): MARCUS EPPS, Safety, Wyoming

Marcus Epps war ein eher überraschender Pick in der sechsten Runde, da er von vielen eher als undrafted Free Agent gehandelt wurde. In Wyoming spielte er als Strong Safety, was jedoch in der NFL wegen seiner geringen Physis schwierig werden dürfte. Allerdings besitzt Epps auch nicht die Range und das Cover Talent, um als tiefer Safety erfolgreich zu sein. Seine beste Rolle in der NFL könnte langfristig als Nickel Corner sein, auch wenn er dort ebenfalls viel Arbeit benötigt, um konkurrenzfähig zu sein.

Pick 193 (6. Runde): OLI UDOH, Offensive Tackle, Elon

Wie wichtig den Vikings die Verbesserung der Offensive Line im diesjährigen Draft war, zeigt die Tatsache, dass Oli Udoh bereits der dritte Offensive Lineman in dieser Vikings Draftklasse war. Anders als Bradbury und Samia wird Udoh jedoch mehr Zeit zur Entwicklung benötigen. Zudem ist es eher fragwürdig, ob Udoh ins Schema passt, denn durch seine eher schlechten Fähigkeiten bei lateralen Bewegungen, bietet er eher wenig Upside in einem Zone Scheme.

Pick 217 (7. Runde): KRIS BOYD, Cornerback, Texas

Kris Boyd ist ein ehemaliger Teamkollege von der letztjährigen UDFA-Überraschung Holton Hill, weshalb viele ihn bereits mit Hill vergleichen. Nicht wenige trauen Boyd einen ähnlichen Impact in seiner Rookie Season zu. Ich bin da etwas skeptischer, denn spielerisch war Hill deutlich weiter als Boyd. Durch die Suspendierung von Hill, wird Boyd wohl zu Beginn der Saison im Kader stehen. Wenn er sich dort aber festsetzen will, muss das über die Special Teams passieren. Ob er sich als Cornerback jemals in der NFL etablieren kann, ist zweifelhaft.

Pick 239 (7. Runde): DILLON MITCHELL, Wide Receiver, Oregon

Eigentlich wurde erwartet, dass die Minnesota Vikings früher einen Wide Receiver ziehen. Eine extrem tiefe Receiver-Klasse erlaubte es den Vikings aber bis zur siebten Runde zu warten und trotzdem mit einem guten Value auf dieser Position aus dem Draft zu kommen. Dillon Mitchell war extrem produktiv in Oregon, weshalb ihm einige bereits die Rolle als Nummer 3 Receiver zutrauen. Das mag wegen Mängeln bei seinen Adjustments zum Ball und seinen Händen ein bisschen zu optimistisch sein, doch seine Athletik und große Fähigkeiten nach dem Catch sollten ihm bereits früh eine Rolle mit einigen Gadget Plays ermöglichen.

Pick 247 (7. Runde): OLABISI JOHNSON, Wide Receiver, Colorado State

Back-to-back Receiver! Olabisi Johnson ist zwar der unbekanntere der beiden Pass Catcher, könnte aber bessere Chancen auf eine größere Rolle haben, denn als guter Route Runner mit sehr zuverlässigen Händen hat er das Potenzial zu einem zuverlässigen Slot Receiver zu werden. Er wäre wahrscheinlich etwas früher gegangen, wenn er nicht wegen seiner sehr talentierten Receiver-Kollegen bei Colorado State (Michael Gallup, Rashard Higgins, Preston Williams) etwas in den Hintergrund gerückt wäre. Auch seine große Erfahrung als Special Teamer sollte Johnson bei seinen Chancen auf einen Roster Spot helfen.

Pick 250 (7. Runde): AUSTIN CUTTING, Long Snapper, Air Force

Bei diesem Pick möchte ich mich kurz fassen, denn viel gibt es dazu sowieso nicht zu sagen. Nichts gegen Cutting, aber einen Long Snapper zu draften, macht schlicht keinen Sinn und dass er womöglich nicht mal direkt spielen kann, da er noch für die Air Force dienen muss, setzt dem Ganzen die Krone auf. Es wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, was zur Hölle sich General Manager Rick Spielman bei diesem Pick gedacht hat.

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